2014. Der 100. Jahrestag des Beginns des Ersten Weltkriegs fällt 2014 mit dem 75. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs zusammen. Das ist Grund genug, sich im Rahmen der Designforschung und ihrer wissenschaftlich benachbarten Disziplinen Fragen nach den Zusammenhängen zwischen Krieg und Gestaltung zu stellen.
Dieser Zusammenhang ist seit grauer Vorzeit unbestritten und vielfältig. Heraklits Fragment, der Krieg sei als Vater aller Dinge anzusehen, lässt sich auch heute noch so interpretieren, dass militärische Auseinandersetzungen stets große Ressourcen in die Entwicklung neuer Materialien und innovativer Anwendungen, in ungewohnte Formgebung und risikofreudige Projekte investierten, die in Friedenszeiten wohl niemals Förderer gefunden hätten. Von der Konservendose bis zur Schuhsohle aus Gummi, von der Fernmeldetechnik bis zur Luftfahrt, vom Geländewagen bis zur Teflonpfanne hat gerade im 20. Jahrhundert der tatsächlich geführte – aber auch nur der drohende – Krieg Herausforderungen an Designer und Gestalter gestellt. Funktionalismus, Kosten- und Materialeffizienz, massenhafte Produktion und simple Handhabbarkeit waren dabei ebenso wichtige Parameter wie die Rücksicht auf nationale Kulturhorizonte und ideologische oder politische Vorgaben. Von der Uniform bis zur Inneneinrichtung der Fahrzeuge, von der Entwicklung neuartiger Kommunikationsmedien bis zur Stromlinienform, vom Propagandamaterial bis zur Dokumentation sind sämtliche Gattungen und Fächer des Design gefragt und betroffen.
Und wie in kaum einem anderen Bereich menschlicher Interaktion wird im Krieg die Kategorie des „social design“ sichtbar: Gutes Design entscheidet womöglich über Leben und Tod des Benutzers. Dabei wird auch deutlich, dass Design nicht nur Diener des Krieges ist, sondern beide auch einiges gemeinsam haben: Design und Krieg sind beide gestaltend tätig, nehmen Einfluss auf das Aussehen und die Wahrnehmung von Materialien und von Landschaften, auf Nationalidentitäten und „Leitkulturen“. Gerade vor 1914 dient das Design wie auch der Krieg als Werkzeug, um auf die Masse einwirken zu können und so den „neuen Menschen“ oder eine „völkische Einheit“ zu gestalten.
Die Organisatoren der Tagung haben 19 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Theorie und Praxis eingeladen, diesen Fragestellungen zu folgen. Konkrete Probleme der Formgebung sollen dabei ebenso diskutiert werden, wie Perspektiven auf die ethische und soziale Verantwortung des Gestalters, materialhistorische Darstellungen sind ebenso gefragt wie aktuelle Forschungen etwa zum Zusammenhang von Mediendesign und Drohneneinsatz. Die Weltkriege dienen als historischer Horizont, sollen aber nicht als bindende Vorgabe für die einzelnen Beiträge verstanden werden.
Das Ziel des Symposiums soll es sein, den Krieg als Motiv zu benutzen, um das Zusammenwirken einzelner Disziplinen der Gestaltung deutlich werden zu lassen. Die theoretische Reflektion, die historische Forschung und die gestalterische Praxis erweisen sich dann – so die Erwartung – als immer schon eng verbundene Teile eines Ganzen, das sich mit dem Begriff Design belegen lässt.
Den Studierenden der Hochschule Hannover, die ausdrücklich als Publikum adressiert werden (und selbstverständlich allen interessierten Besuchern), wird auf diese Weise nicht nur ein repräsentativer Überblick über den aktuellen Stand der Designtheorie geboten, sondern auch eine Sensibilität dafür vermittelt, in eine historische Tradition und in einer sozialen Verantwortung eingebunden zu sein.
Prof. Dr. Martin Scholz & Prof. Dr. Friedrich Weltzien
DONNERSTAG, 16.10.2014
09.30 – 10.00 Uhr
Prof. Dr. Josef von Helden
Begrüßung durch den Präsidenten der Hochschule Hannover
Prof. Wilfried Köpke
Begrüßung durch den Fakultätsdekan
Prof. Dr. Friedrich Weltzien und Prof. Dr. Martin Scholz
Begrüßung durch die Veranstalter
KRIEG UND KULTUR
10.00 – 11.20 Uhr
Prof. Dr. Sabine Foraita
Unschuldslamm Design – Wie viel Verantwortung trägt das Design?
Ist der Augenblick 1917 ästhetisch erledigt? Zur Transformation theatraler Darstellungsräume der Verdichtung im Zeitalter der Massenvernichtung
11.20 – 11.40 Uhr Pause
11.40 – 13.00 Uhr
Wargames – Krieg und Computerspiel
Prof. Colin WalkerIm Zeichen der Zerrissenheit – Bühne zum Thema Krieg
Pause
WORT-KRIEG-BILD
13.40 – 15.40 Uhr
Wenn Pegasus beginnt Feuer zu speien! Die Visualisierung des Krieges zwischen Propaganda und Widerstand
Dr. Änne Söll„Der militärische Zivilist“ – Männermodezeitschriften in Kriegszeiten
Prof. Dr. Karen FrommZwischen den Fronten. Vom Krieg erzählen. Der Imperativ der Lesbarkeit in der Kriegsfotografie
Pause
16.00 – 17.20 Uhr
„I don’t have eyes.“ Körper, Raum und Sicht im bildgeführten Krieg
Martin ScholzGenauigkeit: Visuelle und dramaturgische Nahaufnahmen in Kriegsfilmen
17.30 Uhr Ende
FREITAG, 17.10.2014
DESIGN IM KRIEG
9.00 – 10.20 Uhr
„Kraftei“, „Beule“ und „Kanonenvogel“
Zur Interdependenz von Design, Wirkung und Wahrnehmung deutscher Flugtechnik des Zweiten Weltkrieges
„Länge läuft“ – Über das Aussehen von Kriegsschiffen
Pause
10.40 – 12.00 Uhr
Krieg für Nahrung – Kriegsnahrung – Nahrungskriege.
Gastrosophische Annäherungen an die Kriegsgestaltung
Friedliche Kleider? Nachhaltige Modekonzepte gegen Ausbeutung und Verschwendung
12.00 – 12.40 Uhr Pause
DESIGNKRIEGER
12.40 – 14.40 Uhr
Den Fog of War durchsichtig machen. Naturalisierungen in Kriegssimulationen, Computerspielen und Simulationsverfahren
Prof. Dr. Linda Hentschel„That´s not who we are“ – Das Nicht-Zeigen, die visuelle Gewalt und das ästhetische Regime der Scham
Dr. Marcel René MarburgerDie Kunst des Widerstands. Zur gegenwärtigen Verantwortung von Kunst und Design
Pause
15.00 – 16.20 Uhr
Design als Täuschungsmanöver: Alessandro Mendinis kritische Revision des Modernismus (Fällt wegen Krankheit aus)
Prof. Dr. Friedrich WeltzienGestalttheorie im Cyberwar. Fashiondesign als Waffe
16.30 Uhr Ende
Veranstaltungsort
Hörsaal der Fakultät III
Adresse
Hochschule Hannover
Fakultät III – Medien, Information und Design
Abteilung Design & Medien
Expo Plaza 2, 30539 Hannover
Veranstaltungszeiten
Donnerstag, 16.10.2014: 09.30 – 17.30 Uhr
Freitag, 17.10.2014: 09.00 – 16.30 Uhr
Konzept und Organisation
Prof. Dr. Martin Scholz
Prof. Dr. Friedrich Weltzien
Grafik und Organisation
Annerose Keßler
Saskia Plankert